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Ich habe Tote, und ich ließ sie hin und war erstaunt, sie so getrost zu sehn, so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht, so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst zurück; du streifst mich, du gehst um, du willst an etwas stoßen, daß es klingt von dir
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Da neigt sich die Stunde und rührt mich an mit klarem metallenem Schlag:
Mir zittern die Sinne. Ich fühle: ich kann - und ich fasse den plastischen Tag.
Nichts war noch vollendet, eh ich es erschaut, ein jedes Werden stand still.
Meine Blicke sind reif, und wie eine Braut kommt jedem das Ding, das er will.
Nichts ist mir zu klein, und ich lieb es trotzdem und mal es auf Goldgrund und groß und halte es hoch, und ich weiß nicht wem lost es die Seele los ...
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang;
Und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.... -
Wir kannten nicht sein unerhortes Haupt, darin die Augenäpfel reiften. Aber sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber, in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt, sich hält und glänzt. Sonst konnte nicht der Bug der Brust dich blenden, und im leisen Drehen der Lenden konnte nicht ein Lächeln gehen zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz unter der Schultern durchsichtigem Sturz und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle und bräche nicht aus allen seinen Rändern aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du mßt dein Leben ändern... -
Er ist der Sohn der schonen Fürstin von Ascoli. Sein Vater war irgend ein Abenteurer, er nannte sich damals Marquis Pemba. Aber die Fürstin liebt gerade diesen Sohn. Er erinnert sie an einen Garten, an Venedig und an einen Tag, da sie schoner war als sonst. Darum soll dieser Sohn das Leben haben und einen Namen: Marchese von Villavenetia. Der Marchese von Villavenetia. Der Marchese ist ein schlechter Schüler. Er liebt, den Falken auf der Hand zu fühlen. Sein Lehrer sagt ihm einmal (und der Lehrer weiß nicht viel von der Jagd): »Wie, wenn der Falke einmal nicht wiederkehrt?« »Dann, dann - « sagt der Zogling sehr erregt - »dann werd ich selbst Flügel spüren.« Und er wird ganz rot, als ob er sich verraten hätte. Später, um sein fünfzehntes Jahr, wird er eine Weile still und fleißig. Er liebt die schone Herzogin Julia von Este. Ein Jahr lang liebt er sie so, - dann geht er und befriedigt sich bei einer blonden Magd - und hat die Liebe vergessen. jetzt beginnen rasche, rauschende Tage.
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Neulich, am Morgen, begegnete mir die Frau Nachbarin. Wir begrüßten uns.
»Was für ein Herbst!« sagte sie nach einer Pause und blickte nach dem Himmel auf. Ich tat desgleichen. Der Morgen war allerdings sehr klar und kostlich für Oktober. Plotzlich fiel mir etwas ein: »Was für ein Herbst!« rief ich und schwenkte ein wenig mit den Händen. Und die Frau Nachbarin nickte beifällig. Ich sah ihr so einen Augenblick zu. Ihr gutes gesundes Gesicht ging so lieb auf und nieder. Es war recht hell, nur um die Lippen und an den Schläfen waren kleine schattige Falten. Woher sie das haben mag? Und da fragte ich ganz unversehens: »Und Ihre kleinen Mädchen?« Die Falten in ihrem Gesicht verschwanden eine Sekunde, zogen sich aber gleich, noch dunkler, zusammen. »Gesund sind sie, Gott sei Dank, aber -«; die Frau Nachbarin setzte sich in Bewegung, und ich schritt jetzt an ihrer Linken, wie es sich gehort. »Wissen Sie, sie sind jetzt beide in dem Alter, die Kinder, wo sie den ganzen Tag fragen. Was, den ganzen Tag, bis in die gerechte Nacht hinein.« »Ja,« murmelte ich, - »es gibt eine Zeit ...« Sie aber ließ sich nicht storen: »Und nicht etwa: Wohin geht diese Pferdebahn? Wieviel Sterne gibt es? Und ist zehntausend mehr als viel? Noch ganz andere Sachen! Zum Beispiel: Spricht der liebe Gott auch chinesisch? und: Wie sieht der liebe Gott aus? Immer alles vom lieben Gott! Darüber weiß man doch nicht Bescheid -.« »Nein, allerdings,« stimmte ich bei, »man hat da gewisse Vermutungen ...« »Oder von den Händen vom lieben Gott, was soll man da -« Ich schaute der Nachbarin in die Augen: »Erlauben Sie,« sagte ich recht hoflich, »Sie sagten zuletzt die Hände vom lieben Gott - nicht wahr?« Die Nachbarin nickte. Ich glaube, sie war ein wenig erstaunt. »Ja« - beeilte ich mich anzufügen, - »von den Händen ist mir allerdings einiges bekannt. Zufällig« - bemerkte ich rasch, als ich ihre Augen rund werden sah - »ganz zufällig - ich habe - nun,« schloß ich mit ziemlicher Entschiedenheit, »ich will Ihnen erzählen, was ich weiß. Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben, ich begleite Sie bis zu Ihrem Hause, das wird gerade reichen.« -
WER, wenn ich schriee, horte mich denn aus der Engel Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme einer mich plotzlich ans Herz: ich verginge von seinem stärkeren Dasein. Denn das Schone ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstoren. Ein jeder Engel ist schrecklich.
Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf dunkelen Schluchzens. Ach, wen vermogen wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht, und die findigen Tiere merken es schon, daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht irgend ein Baum an dem Abhang, daß wir ihn täglich wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern und das verzogene Treusein einer Gewohnheit, der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht.
O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum uns am Angesicht zehrt , wem bliebe sie nicht, die ersehnte, sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter?
Ach, sie verdecken sich nur mit einander ihr Los.
Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vogel die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug... -
August rodin - einer jungen bildhauerin erster teil
Rainer Maria Rilke
- Culturea
- 30 Novembre 2022
- 9782385083113
Rodin war einsam vor seinem Ruhme. Und der Ruhm, der kam, hat ihn vielleicht noch einsamer gemacht. Denn Ruhm ist schließlich nur der Inbegriff aller Mißverständnisse, die sich um einen neuen Namen sammeln. Es sind ihrer sehr viele um Rodin, und es wäre eine Lange und mühsame Aufgabe, sie aufzuklären. Es ist auch nicht notig; sie stehen, um den Namen, nicht um das Werk, das weit über dieses Namens Klang und Rand hinausgewachsen und namenlos geworden ist, wie eine Ebene namenlos ist, oder ein Meer, das nur auf der Karte einen Namen hat, in den Büchern und bei den Menschen, in Wirklichkeit aber nur Weite ist, Bewegung und Tiefe.
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Es mochte manchen als eine sparsame Ausnutzung von Vorhandenem erscheinen, wenn hier die Wortfolge eines Vortrags (stellenweise so, wie er gesprochen worden ist, nur um mehr als die Hälfte erweitert) im Druck angeboten wird. Da aber die in jenem Zusammenhang enthaltenen Gedanken noch gültig sind, so mag ihnen auch die ursprüngliche Form der Äußerung nicht genommen werden; sie ist die natürlichste. Denn nicht in ihrer Verwendung allein, schon im Wesen dieser Gedanken liegt etwas Anredendes; sie wollen gehort sein. Sie wollen wirklich reden, und zu Vielen, und wollen versuchen, zwischen dem und jenem Leben und einer sehr großen Kunst zu vermitteln.
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Als der große Mime Norinski um drei Uhr nachmittags in das National-Café, welches vor dem Prager tschechischen Theater liegt, eintrat, erschrak er ein wenig, lächelte aber gleich darauf sein verächtlichstes Lächeln: in dem Spiegel, schräg gegenüber der Thür, hatte sich irgend eine entfernte Ecke des Saales gefangen, und er hatte drinnen eine schiefe Marmorsäule und unter dieser Säule einen kleinen, buckligen Mann erkannt, dessen seltsame Augen dem Eintretenden wie lauernd aus einem unformigen Kopfe entgegenstarrten. Das Fremde dieses Blickes, in dessen Tiefen irgend ein unerhortes Geschehen sich dunkel zu spiegeln schien, hatte ihn einen Augenblick in Schrecken versetzt. Nicht etwan weil er besonders furchtsamer Natur gewesen wäre, sondern infolge des profunden und versonnenen Wesens, welches so großen Künstlern meistens eignet, und durch dessen Wall sich jedes Ereignisgleichsam durchbohren muß. Dem Original gegenüber empfand Norinski nichts ähnliches.
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Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
Rainer Maria Rilke
- Culturea
- 3 Février 2023
- 9791041905966
So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier. Ich bin ausgewesen. Ich habe gesehen: Hospitäler. Ich habe einen Menschen gesehen, welcher schwankte und umsank. Die Leute versammelten sich um ihn, das ersparte mir den Rest. Ich habe eine schwangere Frau gesehen. Sie schob sich schwer an einer hohen, warmen Mauer entlang, nach der sie manchmal tastete, wie um sich zu überzeugen, ob sie noch da sei. Ja, sie war noch da. Dahinter? Ich suchte auf meinem Plan: Maison d'Accouchement. Gut. Man wird sie entbinden - man kann das. Weiter, Rue Saint-Jacques, ein großes Gebäude mit einer Kuppel. Der Plan gab an Val-ge-grâce, Hôpital militaire. Das brauchte ich eigentlich nicht zu wissen, aber es schadet nicht. Die Gasse begann von allen Seiten zu riechen. Es roch, soviel sich unterscheiden ließ, nach Jodoform, nach dem Fett von Pommes frites, nach Angst. Alle Städte riechen im Sommer. Dann habe ich ein eigentümlich starblindes Haus gesehen, es war im Plan nicht zu finden, aber über der Tür stand noch ziemlich leserlich: Asyle de nuit. Neben dem Eingang waren die Preise. Ich habe sie gelesen. Es war nicht teuer.
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Die Kleine war eingeschlafen. - »Endlich« seufzte die junge, blasse Frau, die zuseiten des garnvergitterten Kinderbettchens saß. Sie faltete die Hände überm Knie und schaute starr mit den großen, grauen Augen ins gelbe Lampenlicht. Es war ganz still in der Stube. - Um so lauter tonten des schlummernden Kindes regelmäßige Athemzüge. Einschläfernd - dachte die Mutter und senkte für einen Augenblick die breiten Lider. Dann hob sie den Blick und sah im Zimmer umher. - Es war vornehm, aber nicht wohnlich, die hohen Mobel mit den massigen Füßen und verzierten Platten schienen zu neu, die Fenstervorhänge zu kostbar und reich. Alles war kalt, fremd, formlich; und sie seufzte wieder. Wie still es um sie war! Das Kindermädchen hatte sie ins Gesindezimmer hinabgeschickt, ihr Gemahl war noch nicht zuhause, und draußen auf der Straße regte sich nichts. Sie waren ja auch mehr denn eine Stunde von der Stadt entfernt und - was hätte ihr denn selbst die Stadt geboten? Hier im einsamen Mühlhof - so nannten die Leute die Villa des Mühlenbesitzers, die den Arbeiterhäusern genüber am Rande des grünen, schlammigen Teiches lag, - hier war es ja so ganz recht für sie.
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Es war im April des Jahres 188.. Ich war gezwungen meine Wohnung zu wechseln. Mein Hausherr hatte sein Haus verkauft und der neue Besitzer war entschlossen, das Stockwerk, in welchem mein bescheidenes Zimmer sich befand, ungeteilt zu vermieten. Ich suchte lange nach einem anderen erfolglos. Endlich nahm ich des Suchens müde fast ungeschaut ein Kämmerchen im dritten Stock eines Gebäudes, dessen Längsseite keinen unbedeutenden Teil der engen Seitengasse einnahm. Mein Zimmer erschien mir gleich in den ersten Tagen recht heimlich. Durch die beiden kleinen Fenster, deren vielfach geteilten Scheiben das Alter des Hauses erraten ließen, schaute ich weit über graue und rote Dächer, über rußige Schornsteine hinweg die blauen Berge und konnte die aufgehende Sonne betrachten, die als glühende Kugel auf dem verschwommenen Hügelrand lehnte. Meine eigenen Mobel die ich hatte herbeischaffen lassen, machten den beengten Raum wohnlicher, als ich anfangs hoffte, und die Bedienung, die die Hausbesorgerin übernommen hatte, ließ nichts zu wünschen übrig. Die Treppe war nicht allzusteil und konnte unmerklich erstiegen werden, ja, wenn ich in Gedanken hinanschritt, fühlte ich mich gar verleitet, bis auf den Dachboden zu klimmen. Kurzum ich war zufrieden, zumal in dem dunklen Hofe weder Kinder spielten noch Leierkästen.
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Das ist des Dichters wahre, erhabene Kunst, dem Leser die Begebnisse, die er erzählt, so lebhaft vor Augen zu führen, - daß ihm die Gegenwart und seine ganze Umgebung zu entfliehen scheint und daß er nicht nur ein Kunstwerk empfindet, sondern über dessen klarer Natürlichkeit die Kunst vergißt und die Begebenheit - miterlebt. Es muß dem Leser gehen, wie jenem Manne, dem in einem Guckkasten eine prachtvolle Landschaft gezeigt wurde, in die er sich dermaßen vertiefte, daß er den Duft der Blumen zu spüren und das leise Säuseln der Blätter wahrzunehmen vermeinte. Er muß sich dessen nicht schämen, der Mann, wenn auch tausend andere hineinblickend immer nur - ein Bild sehen. Es muß ein jedes Kunstwerk vor den richtigen Beobachter kommen - und es muß bei jedem der richtige Maßstab angelegt werden. Das heißt, dieser Maßstab fügt sich von selbst. Es tritt so mancher an ein Werk heran, mit der Absicht, sich ein Urteil darüber zu bilden. Dies ist ein toricht Unterfangen, denn eben dadurch, daß er sich bemüht, sich über alles, was er empfindet, sofort Rechenschaft zu geben, reißt er sich stets vom Zauber los, der ihn umfangen will, - und sein Urteil wird kalt. - Es giebt indessen nur zweierlei Werke: solche, die gefangennehmen und mitreißen, und solche, die trotz schoner, lobender Kritik im Herzen kein Echo wecken.
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FRÜHER APOLLO Wie manches Mal durch das noch unbelaubte Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz im Frühling ist: so ist in seinem Haupte nichts, was verhindern konnte, daß der Glanz aller Gedichte uns fast todlich träfe;
Denn noch kein Schatten ist in seinem Schaun, zu kühl für Lorbeer sind noch seine Schläfe, und später erst wird aus den Augenbraun hochstämmig sich der Rosengarten heben, aus welchem Blätter, einzeln, ausgelost hintreiben werden auf des Mundes Beben, der jetzt noch still ist, niegebraucht und blinkend und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend, als würde ihm sein Singen eingefloßt. -
Man kann gut denken, dass Bilder im Saale sind: tiefe, träumerische in ruhigen Rahmen. Ein Giorgione vielleicht oder so ein purpurdunkles Porträt von einem nach Tizian, etwa dem Paris Bordone. Dann weiss man, dass Blumen da sind. Grosse erstaunte Blumen, die den ganzen Tag in tiefen, kühlen Bronzeschalen liegen und Düfte singen: müssige Blumen.
Und müssige Menschen. Zwei, drei oder fünf. Immer wieder streckt sich das Licht aus dem Riesenkamin und beginnt sie zu zählen. Aber es irrt sich immer wieder.
Ganz vorn an der Feuerstelle lehnt die Prinzessin in Weiss; neben dem grossen Samowar, der allen Glanz fangen mochte. Sie ist wie eine wilde Farbenskizze, so hingestrichen im Sturm eines Einfalls oder einer Laune. Mit Schatten und Licht gemalt aus irgend einer genialen Ungeduld heraus. Nur die Lippen sind feiner ausgeführt. Als ob alles andere nur um dieses Mundes willen da wäre. Als ob man ein Buch gemacht hätte, um auf eine von hundert Seiten die stille Elegie dieses Lächelns zu schreiben.
Der Herr aus Wien neben ihr neigt sich ein wenig vor in dem breiten Gobelinstuhl: Durchlaucht - sagt er und irgend etwas hinterdrein, was ihm selber wertlos scheint. Aber die weichen Worte, die nichts bedeuten, gehen über alle hin, wie eine Wärme, und Jemand sagt dankbar: Deutsch sprechen ist fast wie Schweigen.
Und dann hat man wieder eine Weile Zeit zu denken, dass Bilder da sind, und welche. Bis Graf Saint-Quentin, der am Kamin steht, fragt: Haben Sie die Madonna gesehen, Helena Pawlowna?
Die Prinzessin senkt die Stirne.
Sie werden sie nicht kaufen?
Es ist ein gutes Bild - sagt der Herr aus Wien und vertieft sich in seine feinen, frauenhaften Hände. -
Wir gingen zusammen durch die Heide, abends im Wind. Und das Gehen in Worpswede ist jedesmal so: eine Weile wandert man vorwärts, in Gesprächen, welche der Wind rasch zerstort, - dann bleibt einer stehen und in einer Weile der andere. Es geschieht so viel. Unter den großen Himmeln liegen flach die dunkelnden farbigen Felder, weite Hügelwellen voll bewegter Erika, daran grenzend Stoppelfelder und eben gemähter Buchweizen, der mit seinem Stengelrot und dem Gelb seiner Blätter kostlichem Seidenstoff gleicht. Und wie das alles daliegt, nah und stark und so wirklich, daß man es nicht übersehen oder vergessen kann. Jeden Augenblick wird etwas in die tonige Luft gehalten, ein Baum, ein Haus, eine Mühle, die sich ganz langsam dreht, ein Mann mit schwarzen Schultern, eine große Kuh oder eine hartkantige, zackige Ziege, die in den Himmel geht. Da gibt es nur Gespräche, an denen die Landschaft teilnimmt, von allen Seiten und mit hundert Stimmen.
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Wer du auch seist: am Abend tritt hinaus aus deiner Stube, drin du alles weißt;
Als letztes vor der Ferne liegt dein Haus:
Wer du auch seist.
Mit deinen Augen, welche müde kaum von der verbrauchten Schwelle sich befrein, hebst du ganz langsam einen schwarzen Baum und stellst ihn vor den Himmel: schlank, allein.
Und hast die Welt gemacht. Und sie ist groß und wie ein Wort, das noch im Schweigen reift.
Und wie dein Wille ihren Sinn begreift, lassen sie deine Augen zärtlich los... -
LARENOPFER IM ALTEN HAUSE Im alten Hause; vor mir frei seh ich ganz Prag in weiter Runde; tief unten geht die Dämmerstunde mit lautlos leisem Schritt vorbei.
Die Stadt verschwimmt wie hinter Glas. Nur hoch, wie ein behelmter Hüne, ragt klar vor mir die grünspangrüne Turmkuppel von Sankt Nikolas.
Schon blinzelt da und dort ein Licht fern auf im schwülen Stadtgebrause.- Mir ist, daß in dem alten Hause jetzt eine Stimme Amen spricht.
AUF DER KLEINSEITE Alte Häuser, steilgegiebelt, hohe Türme voll Gebimmel,- in die engen Hofe liebelt nur ein winzig Stückchen Himmel.
Und auf jedem Treppenpflocke müde lächelnd-Amoretten; hoch am Dache um barocke Vasen rieseln Rosenketten.
Spinnverwoben ist die Pforte dort. Verstohlen liest die Sonne die geheimnisvollen Worte unter einer Steinmadonne. -
Um zu begreifen, wie sie damals war, mußt du dich erst an eine Stelle rufen, wo Säulen in dir wirken; wo du Stufen nachfühlen kannst; wo Bogen voll Gefahr den Abgrund eines Raumes überbrücken, der in dir blieb, weil er aus solchen Stücken getürmt war, daß du sie nicht mehr aus dir ausheben kannst: du rissest dich denn ein. Bist du so weit, ist alles in dir Stein, Wand, Aufgang, Durchblick, Wolbung -, so probier den großen Vorhang, den du vor dir hast, ein wenig wegzuzerrn mit beiden Händen: da glänzt es von ganz hohen Gegenständen und übertrifft dir Atem und Getast. Hinauf, hinab, Palast steht auf Palast, Geländer stromen breiter aus Geländern und tauchen oben auf an solchen Rändern, daß dich, wie du sie siehst, der Schwindel faßt. Dabei macht ein Gewolk aus Räucherständern die Nähe trüb; aber das Fernste zielt in dich hinein mit seinen graden Strahlen -, und wenn jetzt Schein aus klaren Flammenschalen auf langsam nahenden Gewändern spielt: wie hältst du's aus?
Sie aber kam und hob den Blick, um dieses alles anzuschauen. (Ein Kind, ein kleines Mädchen zwischen Frauen.) Dann stieg sie ruhig, voller Selbstvertrauen, dem Aufwand zu, der sich verwohnt verschob: So sehr war alles, was die Menschen bauen, schon überwogen von dem Lob -
Da stieg ein Baum. O reine Übersteigung! O Orpheus singt! O hoher Baum im Ohr! Und alles schwieg. Doch selbst in der Verschweigung ging neuer Anfang, Wink und Wandlung vor. Tiere aus Stille drangen aus dem klaren gelosten Wald von Lager und Genist; und da ergab sich, daß sie nicht aus List und nicht aus Angst in sich so leise waren, sondern aus Horen. Brüllen, Schrei, Gerohr schien klein in ihren Herzen. Und wo eben kaum eine Hütte war, dies zu empfangen, ein Unterschlupf aus dunkelstem Verlangen mit einem Zugang, dessen Pfosten beben, - da schufst du ihnen Tempel im Gehor.
Und fast ein Mädchen wars und ging hervor aus diesem einigen Glück von Sang und Leier und glänzte klar durch ihre Frühlingsschleier und machte sich ein Bett in meinem Ohr. Und schlief in mir. Und alles war ihr Schlaf. Die Bäume, die ich je bewundert, diese fühlbar Ferne, die gefühlte Wiese und jedes Staunen, das mich selbst betraf. Sie schlief die Welt. Singender Gott, wie hast du sie vollendet, daß sie nicht begehrte, erst wach zu sein? Sieh, sie erstand und schlief. Wo ist ihr Tod? O wirst du dies Motiv erfinden noch, eh sich dein Lied verzehrte? - Wo sinkt sie hin aus mir? ... Ein Mädchen fast -
In der Ecke eines Zimmers stand ein Schwert. Die helle, stählerne Fläche seiner Klinge erglänzte, vom Strahle der Sonne berührt, in rotlichem Scheine. Stolz hielt das Schwert Umschau im Zimmer; es sah, daß alles sich an seinem Glasten weidete. Alles? - Nicht doch! Dort auf dem Tische lag, müßig an ein Tintenfaß gelehnt, eine Feder, der es nicht im mindesten einfiel sich vor der glitzernden Majestät jener Waffe zu beugen. - Das ergrimmte das Schwert und es begann also zu sprechen: »Wer bist du wohl, nichtswürdig Ding, daß du nicht gleich den andern vor meinem Glanz dich beugst und ihn bewunderst? Sieh nur um dich! Alle Geräte stehen ehrfurchtsvoll in tiefes Dunkel gehüllt. Mich allein, mich hat die helle beglückende Sonne zu ihrem Liebling erkoren; sie belebt mich mit ihrem wonnigen Flammenkusse, und ich lohne ihrs, indem ich ihr Licht tausendfach wiederstrahle. Mächtigen Fürsten nur ziemt es, in leuchtendem Gewande daherzuschreiten. Die Sonne kennt meine Macht, darum legt sie mir den koniglichen Purpur ihrer Strahlen um die Schultern.«
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Man hat uns in einer Versammlung vorigen Donnerstag aus Ihren Gedichten vorgelesen, Herr V., es geht mir nach, ich weiß mir keinen anderen Rat, als für Sie hinzuschreiben, was mich beschäftigt, so gut es mir eben moglich ist. Den Tag nach jener Vorlesung geriet ich zufällig in eine christliche Vereinigung, und vielleicht ist das recht eigentlich der Anstoß gewesen, der die Zündung verursacht hat, die solche Bewegung und Treibung auslost, daß ich mit allen meinen Kräften auf Sie zufahre. Es ist eine ungeheuere Gewaltsamkeit, etwas anzufangen. Ich kann nicht anfangen. Ich springe einfach über das, was Anfang sein müßte, weg. Nichts ist so stark wie das Schweigen. Würden wir nicht schon jeder mitten ins Reden hineingeboren, es wäre nie gebrochen worden.
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Ich stehe unter dem Eindruck eines Ereignisses, mit dem ich allein so schlecht fertig werden kann, daß ich mich entschlossen habe, an Sie zu schreiben. Mein Brief soll nicht mehr als eine Ergänzung sein zu einer Reihe von Zeitungsberichten, die Sie gleichzeitig empfangen werden. Diese Berichte enthalten die schlecht erzählte Geschichte einer Gerichtsverhandlung, leicht und nachlässig im Ton, fast überlegen, durch kolportageromanhafte Überschriften in kleine pikante Bissen zerschnitten; und man würde sich gar nicht die Mühe nehmen, diese stoßweise vorgebrachten Zeugenaussagen, Einwürfe und Widerrufe durchzulesen, wenn nicht am Ende ein Todesurteil stünde: still, unwiderleglich und streng. Da wird man aufmerksam und versucht, vorsichtig die Wege zurückzugehen von diesem unheimlichen Rande der Gesellschaft und des Staates. Und wenn man wieder am Anfang angekommen ist, bei den zitternden Händen eines jugendlichen Menschen, da kann man doch nicht begreifen, wie das Netz kleiner winkliger Wege dorthinaus führen konnte zu jenem letzten Platz, auf dem das letzte Recht sich vollzieht an den wirklich Ungerechten.
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Tu non sei piú vicina a Dio di noi; siamo lontani tutti. Ma tu hai stupende benedette le mani.
Nascono chiare a te dal manto, luminoso contorno:
Io sono la rugiada, il giorno, ma tu, tu sei la pianta.